Unser Kundenmagazin Smart & Easy – Ausgabe 2-2023
Veröffentlicht: 23. Nov 2023Energiewende für Alle
In Nordfriesland erleben die Fahrgäste des Linienverkehrs ein Stück Zukunft: Sie fahren emissionsfrei zur Arbeit oder zur Schule mit Treibstoff aus nordfriesischer Windenergie. Angetrieben werden die Busse des ÖPNV nämlich mit grünem Wasserstoff.
Hier, ganz im Norden des Landes, produzieren Wind- und Solarparks jede Menge Strom, der häufig nicht komplett ins Stromnetz eingespeist werden kann. Zu viel Wind, zu viel Sonne, zu wenig Netz. Allein im ersten Halbjahr 2022 wurden in Deutschland gut fünf Terawattstunden Strom abgeregelt. Heißt, die Anlagen standen still. Dafür, dass ein Teil dieser Energie dennoch genutzt wird und nicht verloren geht, sorgt die eFarm Nordfriesland. Das vom Energiewende-Unternehmen GP JOULE initiierte Projekt beinhaltet die komplette, nachhaltige Wasserstoffinfrastruktur: von der Erzeugung des grünen Wasserstoffs aus erneuerbarer Energie über die Logistik des Wasserstoffs bis hin zum Einsatz im Verkehr.
Grüner Wasserstoff kann fossile Brennstoffe schon heute in vielen Bereichen ersetzen und zum Turbo der Energiewende werden. Indem der Strom, der wegen Engpässen nicht ins Netz gespeist werden kann, stattdessen in Elektrolyseure fließt, die diesen Strom nutzen und in Wasserstoff um- wandeln. So bleibt kein Strom ungenutzt und der Wind- und Solarenergiezubau wird vom schleppend vorangehenden Netzausbau entkoppelt.
Überschüssigen Strom sinnvoll nutzen
Bei der eFarm Nordfriesland liefern regionale Bürgerwindparks den nötigen Strom für die Elektrolyse. An insgesamt fünf Standorten wird dieser in grünen Wasserstoff umgewandelt. Grüner Wasserstoff ist aus erneuerbaren Energien produzierter Wasserstoff, er ist umwelt- und klimafreundlich. Durch einen chemischen Prozess, Elektrolyse, wird Wasser mithilfe des Stroms in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Hocheffiziente PEMElektrolyse-Stacks sorgen dafür, dass sich 75 % der zugeführten Energie nach den Elektrolyseprozessen in dem gewonnenen, speicherbaren Wasserstoff wiederfindet. 25 % des Energieeinsatzes fallen als Prozesswärme an. Um die Erzeugung von Wasserstoff energieeffizienter zu gestalten, wird die Prozesswärme beim Projekt eFarm mittels Wärmetauscher ausgekoppelt und in die vorhandenen Nahwärmenetze eingespeist. Somit können angebundene Haushalte und Betriebe mit klimafreundlicher Wärme versorgt werden.
Nach der Elektrolyse wird der Wasserstoff komprimiert, damit er in mobilen Speichercontainern gelagert oder von Lkws abtransportiert werden kann. Sieben Trailer sind im Einsatz, um den nachhaltigen Treibstoff zu den Wasserstofftankstellen in Husum und Niebüll zu bringen. Dort tanken zwei Busse und rund 30 private und gewerbliche Pkws monatlich etwa zwei Tonnen grünen Wasserstoff aus der Region. Die täglich produzierte Menge würde sogar für zwölf Busse oder 120 Pkws ausreichen. eFarm verlängert die Wertschöpfungskette der erneuerbaren Energien, indem der überschüssige Strom als Wasserstoff zwischengespeichert und für Anwendungen im Mobilitätssektor nutzbar gemacht wird. Auf diese Weise kann das gesamte energetische Potenzial der Windkraftanlagen durch die Kopplung der Sektoren sinnvoll ausgeschöpft werden und damit spürbar zu einer CO2-Reduktion beitragen.
Mit erlebbarem Nutzen für die Region
„Es braucht die Unterstützung der Bevölkerung, um die Energiewende zu schaffen. Deshalb muss man die Vorteile erneuerbarer Energien in der Region halten und erlebbar machen“, davon ist Ove Petersen, CEO und Mitgründer von GP JOULE, überzeugt. „Wenn man hier mit dem umweltfreundlichen Kraftstoff fährt, der dort im Windpark entsteht, dann ist das ein sichtbarer Nutzen für alle.“
Ein Fokus des Projekts eFarm liegt deshalb auf der emotionalen Erlebbarkeit der Energiewende, aber auch auf der finanziellen Möglichkeit der Bürgerbeteiligung und der regionalen Wertschöpfung.
Bürgerinnen und Bürger kommen durch die Nutzung von wasserstoffbetriebenen ÖPNV-Bussen unmittelbar mit erneuerbaren Energien in Berührung und können nachhaltige Innovationen im Mobilitätssektor erleben. eFarm Nordfriesland zeigt, dass alle etwas von der Windenergie haben – etwa, wenn die eigenen Kinder oder Enkel umweltfreundlich zur Schule gefahren werden, oder durch eine Verbesserung der Luftqualität, wenn Diesel durch Wasserstoffbusse ersetzt werden.
Das Projekt ist in hohem Maße innovativ und insbesondere für Schleswig-Holstein wichtig, da Akzeptanz für Energieinfrastruktur eine Schlüsselvoraussetzung für die erfolgreiche Energiewende ist.
Innovation mit Auszeichnung beim Deutschen Mobilitätspreis
Den Mut zur Veränderung, den sowohl GP JOULE als auch die Gesellschafter – Firmen aus der Region sowie mittelbar über Bürgerwindparks rund 3.500 private Investor*innen – mit der Umsetzung der eFarm Nordfriesland gezeigt haben, wurde 2022 mit dem Deutschen Mobilitätspreis belohnt. Das Wasserstoffmobilitätsprojekt gewann die Auszeichnung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr in der Kategorie „Veränderung“. Der Preis ehrt engagierte Menschen und herausragende Projekte, die innovativ, nachhaltig und gemeinschaftlich die Mobilität der Zukunft gestalten.
Dezentrale Energielösung als Vorbild für die Energiewende
Der dezentrale Ansatz der eFarm, bei dem Energieerzeugung, -speicherung und -nutzung zusammengedacht werden, hält Wertschöpfung in der Region und reduziert den kostspieligen Netzausbau. Deshalb hat GP JOULE das Projekt eFarm in Nordfriesland von Anfang an als Blaupause für weitere regionale Wasserstoffprojekte entworfen. Nach und nach zahlt sich diese Herangehensweise nun aus:
Ebenfalls an der Nordseeküste, in Bremerhaven, starteten bereits die Bauarbeiten für die erste Wasserstoffproduktionsanlage. In Kiel wurde mit der hy.kiel bereits eine Gesellschaft gegründet, die ein regionales grünes Wasserstoffökosystem nach dem Vorbild der eFarm aufbaut. Und auch in der Gemeinde Schipkau in Brandenburg sowie in Waiblingen, Baden-Württemberg, starten schon bald die ersten Bauarbeiten.
„Unser Herzensprojekt eFarm Nordfriesland ist nicht nur ein Beispiel für die Integration Erneuerbarer Energien in das Energiesystem und für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors, sondern auch für die regionale Teilhabe an der Energiewende,“ fasst Ove Petersen zusammen: „Der Erfolg von Projekten wie diesem zeigt, dass alles da ist, was wir für die erfolgreiche Transformation der Energieversorgung brauchen. Wir müssen es nur machen.“